Der vorliegende Aufsatz bietet eine textkritische Untersuchung der ältesten slavischen (altkirchenslavischen) Übersetzung der Homilie «zum Neuen Sonntag» (Oratio 44 Εἰς τὴν καινὴν Κυριακήν) des Gregor von Nazianz. Ziel des Autors ist es, die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Textzeugen aus dem 13./14. bis zum 18. Jahrhundert zu bestimmen und das erste stemma codicum dieser Überlieferung zu erstellen. Die Untersuchung ist auf die Methode der Leitfehler gegründet, die allgemein als die zuverlässigste in der Textkritik anerkannt ist. Sie kommt zum Schluss, dass die slavische Überlieferung der «Homilie zum Neuen Sonntag» auf einen einzigen Archetypus (α) zurückgeht, von dem sich drei Zweige abspalten. Wir haben zunächst den Variantenträger β, von dem zwei serbische Abschriften abstammen. Dann haben wir den Variantenträger γ, von dem eine ostslavische Abschrift des Toržestvennik triodnyj sowie alle ostlavischen Handschriften der liturgischen Sammlung der 16 Homilien von Gregor von Nazianz mit den Kommentaren von Niketas von Herakleia abhängen. Hinzu kommt noch die ostslavische Handschrift Q, in der die Kommentare von Niketas getrennt vom Text der Homilien abgeschrieben worden sind und die den dritten Variantenträger darstellt. Was Datierung und Herkunft der Übersetzung betrifft, so wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach spätestens im 10. Jahrhundert in Bulgarien durchgeführt, wofür vor allem die sprachlichen Merkmale (insbesondere lexikalische Archaismen) sprechen. Darüber hinaus beweist die durchgeführte Textanalyse die vollkommene Beherrschung des Griechischen und des Altkirchenslavischen vonseiten des Übersetzers, da Übersetzungsfehler tatsächlich minimal sind.

Textüberlieferung und Textkritik der altkirchenslavischen Übersetzung der Homilie «zum Neuen Sonntag» des Gregor von Nazianz

Alessandro Maria BRUNI
2023-01-01

Abstract

Der vorliegende Aufsatz bietet eine textkritische Untersuchung der ältesten slavischen (altkirchenslavischen) Übersetzung der Homilie «zum Neuen Sonntag» (Oratio 44 Εἰς τὴν καινὴν Κυριακήν) des Gregor von Nazianz. Ziel des Autors ist es, die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Textzeugen aus dem 13./14. bis zum 18. Jahrhundert zu bestimmen und das erste stemma codicum dieser Überlieferung zu erstellen. Die Untersuchung ist auf die Methode der Leitfehler gegründet, die allgemein als die zuverlässigste in der Textkritik anerkannt ist. Sie kommt zum Schluss, dass die slavische Überlieferung der «Homilie zum Neuen Sonntag» auf einen einzigen Archetypus (α) zurückgeht, von dem sich drei Zweige abspalten. Wir haben zunächst den Variantenträger β, von dem zwei serbische Abschriften abstammen. Dann haben wir den Variantenträger γ, von dem eine ostslavische Abschrift des Toržestvennik triodnyj sowie alle ostlavischen Handschriften der liturgischen Sammlung der 16 Homilien von Gregor von Nazianz mit den Kommentaren von Niketas von Herakleia abhängen. Hinzu kommt noch die ostslavische Handschrift Q, in der die Kommentare von Niketas getrennt vom Text der Homilien abgeschrieben worden sind und die den dritten Variantenträger darstellt. Was Datierung und Herkunft der Übersetzung betrifft, so wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach spätestens im 10. Jahrhundert in Bulgarien durchgeführt, wofür vor allem die sprachlichen Merkmale (insbesondere lexikalische Archaismen) sprechen. Darüber hinaus beweist die durchgeführte Textanalyse die vollkommene Beherrschung des Griechischen und des Altkirchenslavischen vonseiten des Übersetzers, da Übersetzungsfehler tatsächlich minimal sind.
2023
73
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