Möglichkeiten der Reduplikation des Indefinitartikels im Bairischen

Thomas Strobel
;
2017-01-01

Abstract

Während im Neuhochdeutschen für singularische Individuativa einerseits sowie Kontinuativa und Pluralia andererseits eine komplementäre Distribution zwischen ein- und dem Nullartikel im Bereich des Indefinitartikels bzw. zwischen ein- und welch- beim Indefinitpronomen besteht (cf. Glaser 1993, Zifonun 2007), hat das Bairische hier Formen von ein- generalisiert. Eine Ausnahme bildet der indefinite Pluralartikel, der lediglich areal begrenzt in gewissen Subdialekten und strukturell stärker beschränkt auftritt (unattribuiertes Substantiv vs. Verwendung mit Adjektiven, cf. SNiB/SAO sowie Glaser 1996). Lautlich-morphologisch weist ein- zwei distinkte Formenreihen für den adnominalen und syntaktisch selbständigen Gebrauch auf. Bezüglich der Entstehung, Ausbreitung und gegenwärtigen Verwendung von ein- in den bairischen (und angrenzenden) Dialekten sind noch viele Fragen offen. Unser Beitrag verfolgt sowohl ein empirisches Ziel, will die neu präsentierten Daten zum Verhalten des Indefinitartikels zusammen mit Quantoren aber auch strukturell erklären. Dabei soll primär der Frage nachgegangen werden, worin sich die Verwendung des Indefinitartikels auch bei den MASS-Quantoren ein bisschen und ein wenig (a bissl a milch, a weng a bia) strukturell von der u. a. für das Bairische bekannten Artikelverdoppelung/-reduplikation (indefinite determiner/article doubling) in Modifikationskonstruktionen mit Gradpartikeln wie so, recht, ganz etc. unterscheidet (a recht a guada wein, mit Konstruktionsvariabilität etwa in Prädikatposition: des is (a) ganz a guads bia, cf. Weiß 1998, Kolmer 1999). Reduplikation des Indefinitartikels wurde auch für das (Nord-)Schwedische, Dänische und Englische berichtet (cf. u. a. Delsing 1993, Wood 2002, 2012 sowie Wood/Vikner 2013) und für die Varietäten des Deutschen etwa von Kallulli/Rothmayr (2008) näher untersucht. Im Beitrag sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Doppeltsetzung des Indefinitartikels mit Gradpartikeln einerseits und dem Erscheinen des Indefinitartikels bei Kontinuativa zusammen mit MASS-Quantoren andererseits herausgearbeitet und strukturell erklärt werden. Aus synchroner Sicht bzw. oberflächlich betrachtet scheinen die beiden Konstruktionstypen gleich zu sein (ähnlich der Konvergenzhypothese in der Evolutionstheorie), historisch und strukturell zeigen sich jedoch bedeutende Unterschiede: Die Struktur a bissl a/a weng a + Kontinuativum geht auf eine Konstruktion zurück, bei der der erste Teil ursprünglich selbst eine DP/NP war, die ein Genitivattribut zu sich nahm. Ein unterschiedliches Verhalten von Artikelreduplikation bei Gradpartikeln und der Setzung des Indefinitartikels nach a bissl/a weng lässt sich z. B. unter Negation (koa so *(a) schena dɔg, koa recht (*a) schena dɔg, *koa ganz (a) schena dɔg vs. koa bissl *(a)/*(koa) kaffee / koa bissal *(a)/(?koa) kaffee, *koa weng (a/koa) tee / ?koa wengal a/(*koa) tee) oder bei der Kasusmarkierung feststellen (AKK. a(n) so an nettn buam, an recht/ganz an großn hund vs. a bissl an kaffee, a weng an tee, DAT. a so am nettn buam bzw. nach Präp. mit (a) so am/am so an nettn mo, am recht/ganz an großn hund vs. a bissl am kaffee, a weng am tee; zu Fällen partieller Kongruenz v. a. im Schweizerdeutschen, wo nicht alle Merkmale des höheren und niedrigeren Det identisch sind, cf. auch Kallulli/Rothmayr 2008). Weiterhin kann Artikelverdoppelung bei Gradpartikeln nur mit einem modifizierenden Element wie einem Adjektiv (a recht a guada wein) oder Relativsatz (des is ätz (a) so a Fall, üwer den ma uns grod unterhaltn ham) auftreten sowie – im Falle von so – auch in Exklamativsätzen ((a) so a Depp!), wohingegen ein solcher Modifikator bei a bissl a/a weng a nicht obligatorisch ist (a bissl a (frische) milch, a weng a (kalts) bia). Kann Reduplikation des Indefinitartikels ferner mit Kontinuativa (a recht a guada wein) ebenso wie mit Individuativa auftreten (a recht a schena dɔg), so scheinen die MASS-Quantoren ein bisschen/ein wenig – definitionsgemäß – auf Kontinuativa beschränkt zu sein (a bissl a milch, a weng a bia). Dennoch können auch sie mit eigentlichen Individuativa stehen (a bissl a bian, a weng an opfe), wenn Partitivität ausgedrückt, d. h. eine Teilmenge (Stücke) bezeichnet werden soll. Wie bereits an den angeführten Beispielen ersichtlich ist, zeigen sich aber nicht nur Unterschiede beim Vergleich der beiden Konstruktionstypen Reduplikation des Indefinitartikels bei Gradpartikeln wie so, recht, ganz etc. und Gebrauch des Indefinitartikels bei Kontinuativa zusammen mit den MASS-Quantoren ein bisschen/ein wenig, sondern auch bezüglich der einzelnen Gradpartikeln, wobei so einerseits meist recht/ganz andererseits gegenübersteht. Im Zusammenhang mit den dargestellten Unterschieden muss auch die Artikelverwendung bei quantifizierendem kaum, ziemlich, hübsch gesehen werden (kam/zimle/hibsch a sɔiz, cf. Glaser 1996). Bei den Quantoren wenig und viel steht der Indefinitartikel hingegen nicht (weng/feij (*a) milch). Beim analytischen Fragepronomen nach der Qualität was für bleibt im Bairischen der Indefinitartikel vor Kontinuativa ebenfalls erhalten (wos fia a bia?) bzw. steht das entsprechende Indefinitpronomen anstelle von Kontinuativa (wos fia oans? [Bier]) und Pluralia (wos fia oa? [Äpfel]). Schließlich können die betrachteten MASS-Quantoren ein bisschen/ein wenig – im Unterschied zum COUNT-Quantor ein paar (a boa) – adnominal erwartungsgemäß nicht bei Pluralia stehen (*a bissl/a weng kiaschn), syntaktisch selbständig jedoch sehr wohl (a bissl/a weng oa [Kirschen], neben singularischem a bissl/a weng oane [Milch]).
2017
Bayerisch-österreichische Varietäten zu Beginn des 21. Jahrhunderts - Dynamik, Struktur, Funktion
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